Bundesliga

1854 Zuschauer in Uentrop - „Einzigartige Stimmung“

Unbändige Freude bei Jessica Wirdemann und Alexander Daun über den geknackten Rekord (©Thorsten Schoof)

14.01.2019 - Der TuS Uentrop hat es tatsächlich geschafft. Im Spiel gegen die Leutzscher Füchse brachen die Zweitligadamen aus Hamm den angepeilten Zuschauerrekord von 1200 und begrüßten sage und schreibe 1854 Zuschauer in der WESTPRESS arena. Das hat es im deutschen Damentischtennis noch nicht gegeben. Dass das Spiel am Ende mit 1:6 verloren wurde, war dann nicht nur für Trainer Alexander Daun absolut zweitrangig.

Die positiven Schlagzeilen über die Zweitligadamen des TuS Uentrop reißen nicht ab. Erst machen sie einen eigentlich schon feststehenden Rückzug aus der 2. Bundesliga durch eine bemerkenswerte Rettungsaktion wieder rückgängig, dann holen sie sich die Herbstmeisterschaft und knacken schließlich den Zuschauerrekord im deutschen Damentischtennis. Dieser lag vor diesem Wochenende noch bei 1200 Zuschauern und wurde im entscheidenden Play-off-Spiel der Damenbundesliga im Jahr 1993 aufgestellt. Die Uentroperinnen übertrumpften diese Zahl im Spiel gegen Leipzig am Sonntag deutlich und zählten am Ende - inklusive ein paar Nachzüglern - 1854 Menschen auf den Rängen der Hammer WESTPRESS arena. Kein Wunder, dass dies für die Mannschaft, die normalerweise etwa 80 Zuschauer zu Heimspielen begrüßen kann, ein unvergessliches Erlebnis war.

„Noch nie erlebt“

„Ich war schon bei vielen deutschen Meisterschaften und bei der WM in Düsseldorf und Dortmund als Zuschauer dabei. Aber solch eine Stimmung habe ich im Tischtennis noch nie erlebt. Das war wirklich einzigartig“, ist Daun auch einen Tag nach dem Event noch fast sprachlos. Den Unterschied machten nach der Einschätzung des Trainers vor allem die vielen tischtennisfremden Menschen, die teilweise zum ersten Mal bei einem hochklassigen Tischtennisspiel zugegen waren. Die Mannschaft hatte im Vorfeld viele Vereine aus Hamm und Umgebung überzeugt, sie aktiv bei dem Rekordversuch zu unterstützen. Unter dem Motto „Gemeinsam für Hamm“ aktivierten somit auch die Fußballer, Handballer, Eishockeyspieler und Co. ihre Fans, die sich auf den Rängen naturgemäß etwas anders verhalten als der klassische Tischtenniszuschauer. „Wir hatten wirklich Fußballstadionflair in der Halle. Zwei größere Gruppen hatten sich diagonal gegenübergesetzt - da gingen dann die Anfeuerungsgesänge und Sprechchöre hin und her“, erzählt Daun. „Es war permanent laut und natürlich auch unruhig. Aber das gehört dazu, wenn man so viele Leute in einer kompakten Arena hat.“

Mit der ungewohnten Kulisse kamen die Leipzigerinnen allerdings besser zurecht. Obwohl die Gäste als Tabellenvorletzte in dem Spiel gegen den Herbstmeister eher als Underdog an den Start gingen, sicherten Marina Shavyrina/Tho Do Thi und Huong Do Thi/Anna-Marie Helbig die 2:0-Führung nach den Doppeln und gaben sie bis zum Schluss nicht mehr aus der Hand. Pengpeng Guo holte Uentrop den Ehrenpunkt, am Ende stand allerdings eine 1:6-Niederlage auf der Anzeigetafel. „Die Leipzigerinnen haben genau wie meine Spielerinnen mit dieser Kulisse klarkommen müssen. Bei uns war vielleicht bloß noch mehr im Kopf, hier unbedingt den Sieg holen zu wollen“, überlegt Daun, inwiefern die ungewöhnliche Situation einen Anteil an der Niederlage hatte. „Das Entscheidende war aber, dass Leipzig so stark gespielt hat, wie ich sie noch nie gesehen habe. Sie haben geschlossen als Mannschaft kaum Fehler zugelassen und absolut verdient gewonnen.“

„Das ist der Weg“

Das Ergebnis spielte am Ende allerdings weder für die Mannschaft noch für das Publikum eine große Rolle. Die Spielerinnen wurden mit Standing Ovations verabschiedet und durften noch eine Ehrenrunde drehen. Trainer Daun hatte dann das Vergnügen, sich von allen Seiten viel Lob für die Veranstaltung abzuholen. „Ich habe durchweg nur extrem positives Feedback bekommen und bin mir sicher, dass das eine tolle Werbung für den Tischtennissport war - regional sowieso, aber vielleicht schwappt es ja durch die Berichterstattung auch über die Landesgrenzen hinaus“, hofft Daun. „Vielleicht braucht Tischtennis einfach mehr von dieser Fankultur, um noch besser vermarktet werden zu können.“ Applaus bei Netzrollern und Kantenbällen war bei diesem großteils fachfremden Publikum auch zu erwarten, so dass Daun im Vorfeld bei Leipzig um Verständnis gebeten hatte, falls auch in diesen Fällen ein Punkt bejubelt würde. „Im Tischtennis ist es ja quasi ein Verbrechen, wenn man das tut, aber das darf es nicht sein. Wir müssen davon vielleicht einfach mal loskommen. Die Spielerinnen haben sich da auf jeden Fall nicht von ablenken lassen“, erzählt der Trainer, der sich früher als Spieler allerdings auch von lauten Zuschauern gestört fühlte. „Im Laufe der Jahre hat sich das bei mir gewandelt, als Trainer oder Manager macht man sich da andere Gedanken drüber. Aber ich glaube gerade nach gestern, dass das der Weg ist. Wenn man eine solche Fankultur aufbauen kann, gewinnt man die Leute. Die haben keine Lust, drei Stunden lang still auf der Tribüne zu sitzen.“

Für den Rest der Saison gilt es für Uentrop, wieder in gewohnter Atmosphäre zu punkten. Die Niederlage hat den Herbstmeister zwar die Tabellenführung gekostet, am kommenden Wochenende soll dies gegen Tostedt und Großburgwedel allerdings schon wieder ausgebügelt werden. Für Daun ist der Schritt zurück in den Tischtennisalltag nicht leicht. „Ich stand jetzt acht Wochen lang unter Vollstrom, habe das ja alles in meiner Freizeit neben dem Job noch gemanagt. Ich brauche jetzt erst mal ein paar Tage, um das alles sacken zu lassen“, verrät Daun. „Danach schauen wir mal in die Zukunft - und wer weiß? Vielleicht wiederholen wir das ja irgendwann mal.“ Die Messlatte liegt hier natürlich jetzt sehr hoch. Allerdings würde es Daun auch nichts ausmachen, sollten andere Vereine sie noch übertreffen. „Vielleicht ist unser Konzept, Mannschaften anderer Sportarten aus der Region ins Boot zu holen, auch für andere Bundesligisten eine Option. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir dem einen oder anderen als gutes Beispiel dienen könnten.“

(JS)

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