Blog

Jans Blog: Wer ist wirklich der beste Spieler der Welt?

Am Wochenende ließ Ma Long seine chinesischen Kollegen bei den Kuwait Open hinter sich. Aber ist er deshalb der beste Spieler? (©ITTF)

16.02.2015 - Zhang Jike ist Grand Slam-Sieger, Xu Xin ist der Weltranglistenerste, Ma Long gilt als der kompletteste Spieler der Welt und Fan Zhendong konnte zuletzt beim internen WM-Auswahlverfahren der Chinesen seine Kollegen geschlossen hinter sich lassen. Wer ist nun aber wirklich der beste Spieler der Welt? Unser freier Redakteur Jan Lüke wägt in seinem Blog zwischen den Kandidaten ab und findet seine Antwort.

Zhang Jike ist der beste Spieler der Welt. Er ist amtierender Weltmeister und Olympiasieger im Einzel. Und wenn es ein Turnier gäbe, das wichtiger wäre als die Weltmeisterschaften oder die Olympischen Spiele, dann würde Zhang Jike das eben auch gewinnen. Wahrscheinlich gleich mehrfach hintereinander. Zhang hat sich in den vergangenen Jahren mit etlichen bedeutenden Siegen den Ruf erarbeitet, immer dann zur Stelle zu sein, wenn man zur Stelle sein muss, um die großen Titel abzugreifen. Einen exzellenten Ruf hat auch Ma Long – vor allem bei Fachleuten und seinen Gegnern in der Weltspitze: Die nämlich sagen zum Großteil, dass Ma der Beste der Welt ist – AUCH der Beste der Welt, sozusagen. Der kompletteste Spieler mit der stärksten Vorhand, den unangenehmsten Aufschlägen und der meisten Wucht im Spiel. Der mit dem höchsten Maximum an Leistungsstärke. Der, der sie alle schlägt, wenn er so gut spielt, wie er eben kann. Und dann gäbe es da natürlich noch einen dritten Besten der Welt: Xu Xin nämlich. Auch der ist der beste Spieler der Welt. Weshalb? Weil das so in der Weltrangliste steht. Wenn man jetzt herausfinden möchte, wer denn nun der Beste der Drei ist, lässt man sie doch einfach gegeneinander spielen. Und siehe da: Es gewinnt manchmal gar ein Vierter. Der junge Fan Zhendong nämlich jüngst im ersten Durchlauf der WM-Trials der Chinesen.

Wie soll man den besten Spieler der Welt ermitteln?

Es gibt keinen Weg, um herauszufinden, und kaum einen, um überhaupt zu argumentieren, wer denn wirklich derzeit der beste Tischtennisspieler dieses Planeten ist. Gut, ein Chinese wird’s wohl sein. Nur welcher eben? Und welche Kriterien können da überhaupt gelten? Kein valides Kriterium sind etwa Spiele der Chinesen gegen Nicht-Chinesen. Schlichtweg deshalb, weil die Chinesen, zumindest die großen Vier, einfach viel zu selten gegen all die Nicht-Chinesen auf der Tour verlieren. Da bilden selbst die Duelle gegen Ovtcharov oder Chuang, Boll oder Freitas selten eine Ausnahme. Auch am vergangenen Wochenende bei den Kuwait Open war das wieder so: Am Ende des Wettbewerbs waren es wieder Xu Xin, Zhang Jike, Fan Zhendong und Ma Long, die übrigblieben, als die anderen schon auf der Tribüne saßen.

Was sehr wohl ein Kriterium ist: direkte Vergleiche. Sie müssen ein Kriterium sein. Sie sind es ja auch in jeder anderen Sportart. Da spielt es erst mal keine Rolle, dass die vier weltbesten Spieler allesamt Nationalmannschaftskollegen sind und sich aus – vermutlich ohne zu übertreiben – tausend Trainings- und Wettkampfspielen tiptop kennen. Denn es ist doch schließlich in jeder anderen Sportart auch so, dass die direkten Vergleiche der Allerbesten die großen Spieler und großen Sieger prägen. Was im Tennis gilt, gilt auch im Tischtennis. Nur dass sich im Tennis eben Serben, Schweizer, Schotten und Spanier miteinander duellieren - und im Tischtennis die derzeit Besten alle aus einem Stall sind.

Folgen wir dem Ausschlussprinzip...

Machen wir das Ganze doch einfach mal per Ausschlussprinzip: Ich bin der Meinung, dass Fan Zhendong ganz oben noch nicht seinen Platz hat. Alle Superlative für Fan haben gerade vor dem Hintergrund, dass in seinem Pass ein 1997er Geburtsjahrgang auftaucht, seine vollste Berechtigung. Aber trotz einiger bedeutender Titel und starker Siege wie eben über die anderen Top-Chinesen jüngst bei den Trials wird Fan noch ein wenig Zeit brauchen, in der er vor allem Wettkampferfahrung sammelt und auch sein schon sehr komplettes Spielsystem weiter festigt. Fan wird einer der kommenden Weltmeister werden, vielleicht kann er es schon in diesem Jahr schaffen – gerade ist er aber eben noch nur in der Position des Herausforderers. Es bleiben also die, die man derzeit als die großen Drei der großen Vier bezeichnen kann: eben Zhang Jike, Ma Long und Xu Xin. 

Und auch da kann man zunächst problemlos weiter ausschließen – finde ich zumindest. Denn auch Xu Xin ist bei aller Klasse, bei aller Brachialität in seinem Spiel, bei aller Athletik und Dynamik nicht das absolute Nonplusultra der Tischtennis-Welt. Das Einzige, was zunächst gegen diese Behauptung spricht, ist eben Xus Weltranglistenposition. Die ist eigentlich ein Siegel für Konstanz und Beständigkeit. Sie sagt im Fall Xus allerdings nicht übermäßig viel aus. Denn Xu Xin ist nicht unbedingt der Beständigste unter den Topspielern, sondern der, der am beständigsten die Gelegenheit wahrnimmt, sein Punktekonto aufzufüllen. Deshalb verweist er Ma Long und Zhang Jike auf die Plätze hinter ihm. Bei allem anderen schneidet er hingegen im Vergleich mit den beiden anderen Branchenführern eher dürftig ab: Xu Xins Spielsystem ist brutal, aber dennoch nicht komplett. Es ist mit allem, mit seinen Aufschlägen und Rückschlägen, ausgelegt auf seinen Paradeschlag: den brutalen Vorhand-Topspin. Das aber bringt die Gefahr mit sich, dass Xus Gegner ihn dieser Waffe berauben. Das gelingt wahrlich nicht vielen, aber es gelingt gerade Ma Long und Zhang Jike. Die heben mit cleverem Aufschlag- und vor allem Rückschlagspiel Xus Spiel oftmals aus den Angeln – wie Ma jüngst wieder bei den Trials bewies. Deshalb sind Xu die großen Titeln bisher verwehrt geblieben – und wenn nichts sehr Ungewöhnliches passiert, wird das auch so bleiben. Es bleiben meiner Meinung nach also nur noch zwei übrig: Zhang Jike und Ma Long.

Wer ist stärker? Ma Long oder Zhang Jike?

Und apropos ‚titellos‘: Die vielleicht spannendste Frage im Welttischtennis ist derzeit wohl die, ob das auch bei Ma Long so bleiben wird. Das stimmt bei all den World-Cup-, Asienmeisterschafts- und World-Tour-Siegen so natürlich nicht, aber unterm Strich steht da: kein Titel bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen im Einzel. Diese Bilanz hat er zwar mit 99,9 Prozent aller anderen Topspieler gemeinsam, aber bei Ma Long ist das am unverständlichsten. Ma Longs Spiel ist das wohl beste und kompletteste auf der Tour. Vom Aufschlag über das Passivspiel und die Dynamik bis hin zum Vorhandtopspin. Nur muss er eben den Beweis erbringen, dass er auch der beste Spieler der Welt ist, wenn der beste Spieler der Welt ermittelt wird. Mit jeder Niederlage in großen Spielen wird es für Ma Long beim jeweils nächsten Mal natürlich wieder schwieriger. Zhang Jike wird selbstbewusster und selbstgewisser, Ma Long verliert eben diese Sicherheit – oder wird erst gar nicht für die ganz großen Wettkämpfe wie die Olympischen Spiele 2012 nominiert. Dieses Blatt gilt es für Ma Long zu wenden, wenn er doch den freilich ziemlich inoffiziellen Titel des besten Spielers der Welt ergattern möchte. Und das möglichst im Mai in Suzhou bei der WM, denn auch Ma steckt mit bald 27 Jahren nicht mehr in der Frühphase seiner Karriere. Bis zu seinem ersten ganz großen Wurf bleibt Ma Long einer der Herausforderer. Und Zhang Jike der beste, weil erfolgreichste Spieler der Gegenwart.

(Jan Lüke)

Kommentar schreiben

Um weiterhin qualitativ hochwertige Diskussionen unter unseren Artikeln zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschlossen, die Kommentarfunktion mit dem myTischtennis.de-Login zu verknüpfen. Wenn Sie etwas kommentieren möchten, loggen Sie sich einfach in Ihren Account ein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist weiterhin möglich, der Account muss jedoch einer realen Person zugeordnet sein.

* Pflichtfeld

Copyright © 2024 myTischtennis GmbH. Alle Rechte vorbehalten.