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Blog: Nicht die beste Lösung für die größtmögliche Mehrheit

Welche Ansicht vertreten Sie? (©Roscher)

03.04.2020 - In einer Telefonkonferenz haben der DTTB und seine 18 Landesverbände am Dienstagabend die Entscheidung getroffen, dass die Saison 2019/2020 abgebrochen wird und der Tabellenstand von Mitte März (bzw. der zum Zeitpunkt der Aussetzung des Spielbetriebs) für die Abschlusstabelle herangezogen wird. War das die bestmögliche Lösung, die hätte gefunden werden können? Was wären die Alternativen gewesen? Redakteur Daniel Koch versucht das schwierige Thema, bei dem es keinen Konsens geben kann, einzuordnen.

Eines vorweg: Es allen recht zu machen, diese Möglichkeit hat nie bestanden, als es angesichts der Coronakrise darum ging, über den Mannschaftsspielbetrieb der Saison 2019/2020 zu entscheiden. Es hätte bei allen erdenklichen Szenarien immer Gewinner und Verlierer gegeben.

Die für die größtmögliche Mehrheit fairste Lösung gewählt?
Doch auch wenn ich kein Funktionär bin, der an auch nur einer einzigen Telefonkonferenz zum Thema Spielbetrieb teilgenommen hat, und ich ebenso wenig Jurist und besonders firm bin, was Wettspielordnung, Satzungen etc. angeht, so frage ich mich als Spieler und Jugendbetreuer natürlich dennoch: Wurde mit dem vorzeitigen Saisonabbruch und der (schwierigen) Entscheidung, den Tabellenstand von Mitte März für die Abschlusstabelle heranzuziehen, die für die größtmögliche Mehrheit fairste Lösung gewählt? Mein erster Gedanke, als ich am Mittwoch vom Beschluss hörte (der für mich überraschend früh kam), war, dass das nicht der Fall ist. In den letzten Stunden habe ich mich nun intensiver mit dem Thema befasst, mich auch durch eine dreistellige Anzahl von User-Kommentaren 'gewühlt', geschaut, was in anderen Hallensportarten passiert, und bleibe dabei: Es war sicher die einfachste, wohl aber nicht beste Entscheidung, die man am Ende getroffen hat. 

Etwas zu kritisieren und infrage zu stellen, ist bekanntlich immer ziemlich einfach. Was wären also die Alternativen gewesen? Der DTTB hat gestern in einer Stellungnahme sein Vorgehen und das der Landesverbände meiner Meinung nach sinnvoll begründet und darin auch dargelegt, warum man sich z. B. dagegen entschieden hat, den Vorrunden-Tabellenstand für die Abschlusstabelle zu verwenden. Diese Möglichkeit, die in unserer Amateur-Umfrage die relative Mehrheit favorisiert, wäre alleine schon aufgrund der Wettspielordnung weggefallen, die nun mal vorsieht, dass gespielte Matches gewertet werden müssen. Auch eine Annulierung oder aber Verlängerung der Saison wären aufgrund der Wettspielordnung nicht möglich gewesen. Das hätte im Übrigen auch auf die – meiner Ansicht nach durchaus sinnvollen – Vorschläge von Lesern zugetroffen, die gerne den Punktequotient oder die Anzahl an Minuspunkten für die abschließende Bewertung herangezogen hätten. 

Situation selbst größeren Stellenwert als der WO einräumen
Doch außergewöhnliche Situationen – für viele aktuelle Generationen die im negativen Sinne außergewöhnlichste Situation, die sie je erlebt haben – erfordern nun mal außergewöhnliche Maßnahmen. Nicht umsonst wurden deshalb zahlreiche Großveranstaltungen im Sport (zum Teil zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg) verschoben, was sich vor einiger Zeit noch niemand hätte ausmalen können. Deshalb werfe ich die Frage in den Raum: Hätte es nicht irgendeinen Weg geben können, dieser außergewöhnlichen Situation einen höheren Stellenwert als der Wettspielordnung einzuräumen und diesmal ausnahmsweise Maßnahmen zu treffen, die mit der Wettspielordnung vielleicht nicht konform gewesen wären? 

Meiner Ansicht nach hätte man ungeachtet dessen noch ein wenig mit solch einer Entscheidung warten sollen. Zumindest so lange, bis sich herauskristallisiert hätte, wie das Leben nach dem 19. April in Deutschland weitergeht. Wie groß die Einschränkungen danach sein werden. Einige Vereine brauchten aufgrund dringlicher finanzieller Fragen natürlich schnellstmögliche Planungssicherheit. Auf wie viele Mannschaften bzw. Vereine trifft es im Tischtennis aber zu, dass z. B. Gehälter gezahlt werden müssen o. Ä.? Hätte man hier nicht vielleicht ab bestimmten Ligen einen Cut machen können? Klar, auch das hätte es nicht gerade umkomplizierter gemacht... 

Wiederaufnahme des Spielbetriebs natürlich ungewiss
Ich persönlich wäre, wenn es um mögliche Szenarien geht, am ehesten dafür gewesen, die Saison noch irgendwie zu Ende zu bringen. Je nach dem hätte man die ausstehenden Partien – entgegen der WO – eben nach den Sommerferien ausgetragen und die folgende Spielzeit einschließlich der Wechselfrist zeitlich nach hinten verschoben. Aktuell kann natürlich niemand mit Sicherheit sagen, ob selbst dann wieder ein geregelter Spielbetrieb möglich sein wird oder ob das in diesem Jahr überhaupt wieder der Fall sein. Auch die große Anzahl von Senioren im Tischtennis gilt es in dieser Hinsicht natürlich zu bedenken.

Wenn ich mir nun z. B. die Tabelle unserer eigenen Liga anschaue, bin ich mir relativ sicher: Eine Mannschaft, die im Winter mächtig aufgerüstet und in der Rückrunde alle Spiele gewonnen hat, hätte es wohl noch auf den Relegationsplatz für den Aufstieg geschafft. Dieses Team (so nur auf dem undankbaren dritten Platz stehend) wird durch die jetzige Entscheidung wohl also benachteiligt werden und vermutlich auch nicht als Härtefall durchgehen. Auf andere Mannschaften, die mit weniger ausgetragenen Spielen verlustpunktfrei hinter Teams mit Minuspunkten liegen, wird das hoffentlich zutreffen.

Fingerspitzengefühl gefragt – auch die Vereine in der Pflicht
Hier wird auf die Landesverbände und ihre Bezirke und Kreise noch einiges an Arbeit zukommen, vielleicht sogar mehr als, wenn die Wettspielordnung ausnahmsweise ausgehobelt worden wäre? Sicher ist, dass die Entscheidungsträger viel Fingerspitzengefühl bei den einzelnen Fällen werden beweisen müssen. Aber ich finde, auch die Vereine selbst sind aufgefordert, Fairness zu beweisen: Sie sollten miteinbezogen werden, wenn es um die Fragen geht, wie die Tabelle nach einer regulär zu Ende gespielten Saison hätte aussehen können und welche Mannschaften in der kommenden Spielzeit nun fairerweise tatsächlich in welche Ligen gehören...

(DK)

Kommentare (74)

@reds (15.04.2020 20:24)

Bei solch emotional aufgeladenen Aktionen ist es nicht überraschend, wenn Stimmen mehrfach abgegeben werden. Die Rechnung 1 Stimme = 1 Person geht nicht auf. Die Anzahl der tatsächlichen Unterstützer dürfte niedriger als die Stimmenanzahl sein.

Gerade den Petitionstext gelesen. Au Backe, diese Petition würde ich selbst dann nicht unterstützen, wenn ich das Anliegen als berechtigt einstufen würde.


reds (15.04.2020 10:27)

@Verzerrten Wahrnehmung:

Es gibt ziemlich genau 300.000 Spieler im Punktesystem. Wenn man davon die nicht mehr aktiven Spieler und die Spieler ohne Internetzugang abzieht, sind es wahrscheindlich noch die Hälfte.

Ich kann nur aus meinem Verein sprechen, aber als ich in unserer Mannschafts-WhatsApp-Gruppe das Thema am Wochenende ansprach, wussten 2 der 6 Spieler noch nichts von der Entscheidung, weil sie sich nur für das Spiel an sich interessieren. Wenn die Quote überall so ist, bleiben noch 50.000 Spieler.

Und von den Spielern, die das ganze unfair finden, machen viele bei einer solchen Aktion nicht mit, weil es einfach nichts bringt. Dazu gibt es soweit ich gesehen habe mehrere nebeneinander laufende Petitionen, was der Sache natürlich auch nicht dienlich ist.

Alles in allem lässt sich sagen, dass 1.000 gar keine so geringe Zahl ist wie von dir hingestellt


Verzerrten Wahrnehmung (12.04.2020 16:15)

Sehe ich das richtig, dass bis jetzt noch nicht mal das Ziel von 1000 Unterschriften erreicht wurde?

Die Anzahl der Unzufriedenen scheint doch ziemlich überbewertet worden zu sein.
Wieviele Spieler gibt es in Deutschland? 600000?


Nimbus (12.04.2020 15:23)

https://www.openpetition.de/petition/online/tischtennissaison-anders-werten-als-jetzt-geplant


Schaut bei dem Link vorbei und unterschreibt wenn ihr mit der gefallenen Entscheidung unzufrieden sind.


TTVN und die Härtefälle (09.04.2020 19:32)

Im TTVN (Niedersachsen) sieht die Lösung http://www.ttvn.de/index.php?newsID=4092 wie folgt aus:
1. Relegation: Es gibt keine Verlierer.
2. Härtefälle: TTVN-Gremien schauen sich Härtefälle an. Eine Entscheidung erfolgt in der 16. Kalenderwoche.


Wenn nicht jetzt wann dann? (09.04.2020 16:04)

Ich fände es auch gut wenn man jetzt darüber entscheidet unter welchen grundsätzlichen Bedingungen künftig gespielt wird und entsprechende Weichen/Entscheidungen trifft.
Z. B. :
4er Mannschaften
Alle Einzel und Doppel werden gespielt und gewertet (damit auch die hinteren Spieler genauso viele Einsätze haben)
Gleiche Spieltage/Wochen für alle
Etc.

Alle Vorschläge mit Pro und Contra ausarbeiten und zur Abstimmung stellen.
Die beste Lösung gewinnt.


Hobbyspieler (09.04.2020 11:22)

Antworte auf den Kommentar vom 08.04.2020 Verfasser Hobbyspieler ,

Grundsätzlich muss ich Dir recht geben ,man entfernt sich immer mehr von der Basis leider .


reds (09.04.2020 11:17)

Meine Wunschlösung wäre ja gewesen, bundesweit auf 4er-Mannschaften umstellen und die Ligen in den Verbänden, wo das noch nicht der Fall ist, nach Durchschnittspunkten einstufen. Die bundesweiten 4er-Mannschaften werden eh bald kommen, da hat man dann wieder das Problem mit der Einteilung


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