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Schiri-Schorsch: Wenn ‚Amateure‘ Profispiele zählen

Auch mit Profis ist Schiri-Schorsch schon so manches Mal aneinandergeraten (©Laven)

03.08.2015 - Unmut über die Entscheidungen der Schiedsrichter und lange Diskussionen zwischen Schiri und Spieler kann man immer wieder bei großen Turnieren beobachten. Aus der Sicht der Spieler ist die Sache oft klar: Der Typ hinter dem Zählgerät macht das ja nur hobbymäßig und hat die Regeln nicht drauf. Die andere Perspektive bringt Ihnen unser neuer Blogger Schiri-Schorsch näher, hinter dessen Pseudonym ein Schiedsrichter der obersten Kategorie steckt.

Um meinen Status als Blue-Badge-Schiedsrichter aufrecht zu erhalten, benötige ich regelmäßige – möglichst positive – Evaluierungen bei größeren Turnieren. Das nötigt mich auch, Einsätze im Ausland bei Turnieren wahrzunehmen, wo Evaluierungen angeboten werden. Die Topspieler reisen hier ‚auf der Tour‘ durch alle Länder. So trifft man sich von Zeit zu Zeit immer wieder. Natürlich werde ich weniger wahrgenommen als umgekehrt, was aber auch natürlich ist. Die Spieler sind in der Regel Profis, die ihr Geld mit dem Sport verdienen; die einen etwas mehr, die anderen etwas weniger. Eine erfolgreiche Platzierung bei z.B. einem World Tour-Turnier ist wichtig, um Weltranglistenpunkte zu erzielen, sich für einen neuen Verein zu bewerben oder in der Zukunft nicht mehr durch die Qualifikationsrunden der Turniere zu müssen. Ich dagegen bin ‚nur‘ bei ein bis zwei Turnieren im Jahr im Einsatz und an einigen Wochenenden in den Bundesligen sowie bei Ranglisten oder Einzelmeisterschaften. Neben meinem Hobby gehe ich einer geregelten Arbeit nach, so dass ich natürlich auch nicht über die Zeit verfüge, um stetig als Schiedsrichter unterwegs zu sein.

Sind die Schiris gut genug für Profispiele?

Ist es dann nun angemessen, dass diese professionellen Spieler einen ‚Amateur‘ als Schiedsrichter zur Seite gestellt bekommen? Selbstverständlich verfüge ich durch die jahrelangen Aus- und Weiterbildungen über die erforderlichen Regelkenntnisse und habe auch ausreichend Erfahrungswerte, ein Spiel zweier Profis zu leiten. Ich verdiene halt aber kein Geld damit und kann (und will) mich auch nicht den ganzen Tag mit der Schiedsrichterei beschäftigen. Meiner Meinung nach macht mich das aber nicht zu einem schlechteren Schiri, der nicht bei den großen Turnieren zählen dürfte.  

Diese Diskussion durfte ich schon das eine oder andere Mal mit Spielern und Trainern führen. Natürlich immer dann, wenn ich (mehrere) Aufschläge als Fehler bewertet habe oder sonstige – aus meiner Sicht regelkonforme – Entscheidungen getroffen habe, die den Spieler - aus seiner Sicht - benachteiligten. Sehr schön sind hierbei die Argumente, die von den Spielern oder Trainern genutzt werden: „Wir sind hier doch nicht bei einer Weltmeisterschaft“ oder „mehr Fingerspitzengefühl wäre in der Situation angebrachter gewesen“ => die beiden sind auch in Deutschland sehr verbreitet. Der Klassiker ist aber die Aufzählung der Teilnahmen an Kontinental- oder Weltmeisterschaften, World Tour-Turnieren oder Olympischen Spielen, was in ihren Augen eine ausgeprägte Regelkompetenz darstellt.

Die Trainer meist leidenschaftlicher als die Spieler

Grundsätzlich ist es sehr interessant zu beobachten, dass die Trainer hier mit viel mehr Leidenschaft und Emotionen die Gespräche führen, während die Spieler die Sache eher schnell abhaken. Ich hinterfrage dann meistens, ob es bei den Weltmeisterschaften andere Tischtennisregeln gibt als bei der Veranstaltung, wo wir gerade sind. Muss man hier beim Aufschlag den Ball beispielsweise nicht aus dem Handteller oder hinter der Grundlinie hochwerfen? Oder darf man nur bei einer Weltmeisterschaft den Schläger nicht auf den Tisch werfen oder nicht gegen den Tisch treten? Meistens warte ich vergeblich auf eine Antwort. Ich denke, dass ein professioneller Spieler – der damit auch noch seinen Lebensunterhalt verdient – die entsprechenden Regeln zum Aufschlag doch kennen sollte. 

Auf der anderen Seite kommt es auch nach einem Spiel ab und an zu Gesprächen, wo sich Spieler und/oder Trainer bei einem beispielweise für das Fehlverhalten unaufgefordert entschuldigen oder sich dafür bedanken, dass man konsequent auf die Aufschlagregel geachtet hat. Das sind dann die schönen Momente.

Ich bleibe lieber ‚Amateur‘

Natürlich möchte ich und muss ich klarstellen, dass wir Schiedsrichter auch mal einen schlechten Tag haben oder bei Entscheidungen einmal daneben liegen. Das ist genauso menschlich, wie es bei den Spielern oder Betreuern ist. Peter Engel meinte einmal zu mir: „Tischtennis ist deswegen die fairste Sportart, da die Spieler immer die Fehlentscheidungen der Schiedsrichter korrigieren müssen.“ Treffer! ;-)

Der Traum, das Hobby zum Beruf zu machen, ist ja allgegenwärtig. Aber als Schiedsrichter durch die Welt zu reisen und die Tage in der Halle, die Abende im Hotel zu verbringen; da sehe ich mich weniger. Hierzu gäbe es auch viel zu viele Fragezeichen bezüglich der Bezahlung (Teil- oder Vollzeit), den Kosten für die Unterbringung und Reise und, und, und… Ich bleibe lieber bei meinen ein bis zwei Turnieren im Jahr und werde als ‚Amateur‘ weiter werkeln. 

Viele Grüße vom Zählgerät! 
Euer Schiri-Schorsch

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