Jochen Biester (l.) und Jonas Degen in Aktion (©Koch/Iris Rothe)
29.11.2018 - Schaut man sich im Para-Sport um – nicht nur im Tischtennis – hört und liest man von teils schweren Schicksalsschlägen. Um nicht alltägliche Verletzungen, die zum Glück aber mit einer Rückkehr in den Wettkampfsport verbunden sind, dreht sich das aktuelle Amateur-Thema: Kreisligaspieler Jochen Biester (TV Arnoldsweiler) und Badenligaspieler Jonas Degen (TTFS Hohberg) berichten, wie sie nach ihren Verletzungen zurück an den Tisch gefunden haben.
Kurioserweise verletzten sich beide bei Fahrradunfällen. Schon etwas länger zurück liegt der Unfall von Jochen Biester. Im Sommer 2007 stürzte er mit dem Fahrrad und fing sein ganzes Gewicht mit dem rechten Arm ab. Die Folge: Trümmerbruch im rechten Handgelenk. "Am Kopf hatte ich zum Glück keine Verletzungen, das hätte böse enden können", sagt der mittlerweile 53-Jährige rückblickend. Schlimm genug war aber alleine die Verletzung am Handgelenk der rechten (Schlag-)Hand. Schon bei der ersten Operation mussten Knochenteile aus der Hüfte ins Handgelenk eingesetzt werden, das vorerst beweglich blieb. Nach der Krankenhausentlassung verschob sich jedoch etwas und die starken Schmerzen gingen nicht weg. So musste Biester erneut operiert und das Handgelenk vollständig versteift werden. "Danach hatte ich keine Schmerzen mehr, das war erst mal Gold wert", so der Dürener. Bei einer abschließenden dritten OP wurden dann noch Metallteile entfernt, die vorher eingesetzt worden waren. Im Anschluss musste der damals 43-Jährige lernen, seinen Alltag, wie z. B. das Autofahren, mit versteiftem Handgelenk neu zu bewältigen. Insgesamt war der Diplom-Verwaltungswirt vier Monate arbeitsunfähig, mit ergonomischer Tastatur ausgestattet konnte er dann aber wieder ohne Abstriche in seinen Beruf zurückkehren.
Knorpelriss im Sprunggelenk
Mit Blick auf seine damalige Tätigkeit etwas brisant war auch die Verletzung von Jonas Degen. Denn als der 23-Jährige im Sommer 2016 beim Radfahren stürzte und sich den Knorpel im linken Sprunggelenk riss, war er gerade Bachelor-Student der Sportwissenschaften. Auch sein Unfall zog eine Operation nach sich. "Als klar war, dass ich operiert werden musste, war die Enttäuschung groß", erklärt Degen. Noch ärgerlicher war jedoch, dass der Heilungsprozess deutlich länger dauerte, als vom Arzt angekündigt. "Es wusste keiner richtig, ob das alles mal wieder so wird. Zum Glück hatte ich die Praxiskurse im Bachelor-Studium zu diesem Zeitpunkt schon hinter mich gebracht. Die Uni kam mir auch etwas entgegen. Wenn ich Pech gehabt hätte, hätte mich die Verletzung ein Semester gekostet." Nervig sei es natürlich auch so gewesen, längere Zeit keinen Sport machen zu können. Dass er wieder Tischtennis spielen wolle und das auch könne, das stand für Jonas Degen direkt fest, auch wenn "nach der OP erst mal gar nichts ging" und dann viel Sitzungen beim Physiotherapeuten angesagt waren.
Wie mit versteiftem Handgelenk die Rückhand spielen?
Ob er mit einem versteiften Handgelenk noch einmal an den Tisch zurückkehren könne, war in Jochen Biesters Fall länger nicht ganz klar. "Das war traurig, schließlich hatte ich Tischtennis seit dem 16. Lebensjahr gespielt und innerhalb des Sports einen großen Freundeskreis aufgebaut." Ärzte rieten ihm, einfach mit links zu spielen. "Doch das klappte gar nicht. Ich hatte mit rechts im Laufe der fast 30 Jahre so viele Automatismen entwickelt. Mit links hätte ich wieder bei null anfangen müssen." Wenn überhaupt, musste es also mit rechts weiter gehen. Mit der Vorhand klappte es nach seinem Einstieg, ein halbes Jahr nach dem Unfall, auch schon ganz gut. Hier musste die Bewegung eben von nun an noch mehr aus der Schulter, dem Arm und dem Ellbogen kommen.
Doch wie die Rückhand spielen mit einem versteiften Handgelenk und einer eingeschränkten Drehbarkeit des Unterarmes?! Schnell kam der Gedanke an den Wechsel von einem glatten Belag auf einen langsameren Materialbelag. Biester probierte viel aus: Erst kurze Noppen mit und ohne Schwamm, dann lange Noppen. Als beste Lösung entpuppte sich schließlich der Antibelag. "Wenn mir jemand auf die Rückhand spielte, konnte ich nun die Rotation und Geschwindigkeit herausnehmen und den Ball einigermaßen herüberbringen." Dennoch musste der Dürener in den ersten Meisterschaftsspielen natürlich Lehrgeld zahlen, nachdem er zuvor schon Einzel 'abgeschenkt' hatte, um ein Aufrücken von Spielern aus der niedrigeren Mannschaft zu verhindern.
Am Anfang viele Spiele verloren
Auch Jonas Degen stieg in der Rückrunde der Folgesaison nach seinem Unfall wieder richtig ein, auch er verlor am Anfang viele Spiele und TTR-Punkte. Erst nach einem Jahr konnte er wieder ein Einzel gewinnen, von 1.880 TTR-Punkten ging es insgesamt bis auf 1.778 TTR-Punkte herunter. Mittlerweile ist er wieder fast auf dem alten Stand angekommen und die Einschränkungen durch den Unfall sind überschaubar. "Ich habe während der Verletzung die Rückhand besser aus dem Stand trainieren können, die Rückhand ist dementsprechend ein wenig besser geworden", erzählt der 23-Jährige.
In der Spitze 1.567 TTR-Punkte und kurz vor dem Unfall 1.524 TTR-Punkte hatte Jochen Biester vorzuweisen. In den folgenden zwei Spielzeiten fiel er auf 1.395 TTR-Punkte ab. In den letzten neun Jahren bewegte er sich relativ konstant zwischen 1.400 und 1.500 TTR-Punkten, aktuell liegt er bei 1.401 TTR-Punkten. Insgesamt ist er nicht so weit vom Niveau entfernt, das er vor dem Unfall hatte, auch wenn ihm durch sein Handicap natürlich Grenzen gesetzt sind. Biester: "Ich bin dennoch sehr zufrieden mit dem Level, auf dem ich wieder Tischtennis spielen kann. So noch mal spielen zu können, hätte ich nicht gedacht."
Rückhandlastiger und passiver
Verändert habe sich definitiv sein Spielstil. Vorher habe der 53-Jährige nach einem starken Aufschlag mit Vor- oder Rückhand meist den Angriff mit der Vorhand gesucht. "Viel Spin in den Aufschlag zu legen, ist mit dem versteiften Handgelenk jetzt natürlich nicht mehr möglich, Mein Spiel ist insgesamt rückhandlastiger und vor allem passiver geworden. Der Antibelag ist für manche Gegner eben unangenehm." Spielern, die ihn nicht von früher kennen würden, falle Biesters Handicap und die damit verbunden Grenzen nur selten auf. "Unter dem Strich kann ich mich also nicht beschweren. Natürlich fragt man sich: 'Was wäre, wenn ich den Unfall nicht gehabt hätte?' Aber so darf man gar nicht denken. Man sollte nicht zurückschauen, sondern versuchen, das Beste daraus zu machen und seinen Stil weiterzuentwickeln. Ich kann den Sport weiter ausüben und mit den gleichen Leuten von früher immer noch zusammenspielen, die sozialen Kontakte im Tischtennis aufrechterhalten. Das ist mir wichtig."
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