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Blog: Machthungrig auf Bezirksebene

Wer Bezirksvorsitzender werden will, muss manchmal sogar um das Amt kämpfen (©Laven)

06.03.2023 - Ist mit dem Posten des Abteilungsleiters bereits das Ende der Karriereleiter erreicht? Aber mitnichten! Denn wer wirklich etwas bewegen möchte und Einfluss auf weitreichende Entscheidungen haben will, wird sich um das Amt des Bezirksvorsitzenden bemühen, wie Phasendrescher Philipp Hell weiß. Ob dieser Posten am Ende hält, was er verspricht, wird auf gewohnt amüsante Art und Weise im Blog erzählt.

Wer als Abteilungsleiter reüssiert und tatsächlich noch Kapazitäten frei hat, der kann auch jenseits seines Heimatdorfes überregional an seiner Tischtennis-Funktionärskarriere arbeiten. Da gibt es zum Beispiel ein eher einfacheres Amt wie den Spielgruppenleiter, der sich zwar mit verlegungsfreudigen Mannschaftsführern am Telefon herumschlagen muss und sich mit den Untiefen der Tischtennis-Verwaltungssoftware im Netz auskennen sollte, der im Sommer nach Ende des Ligabetriebes dafür frei hat. Im Gegensatz zu diesem eher entspannten Job gibt es tatsächlich Menschen, die sich als Schiedsrichter zur Verfügung stellen, nur um sich für eine lächerliche Aufwandspauschale am Samstagabend von mittelbegabten Landesliga-Spielern für angeblich offenkundige Fehlentscheidungen beschimpfen zu lassen. Des Weiteren gibt es Menschen, die sich als Mitglieder des Sportgerichtes anschließend darüber den Kopf zerbrechen, für wie viele Spiele dieser nur allzu bekannte Landesliga-Rohrspatz diesmal für seinen Ausraster gesperrt werden soll.

Harter Wahlkampf

Für all diese Posten und Pöstchen werden Freiwillige dringend gesucht und leider nicht immer gefunden. So kommt es, dass viele Ämter in Personalunion von den immer Gleichen besetzt werden. Doch wen es wirklich nach einem einflussreichen Amt drängt, der muss für den Bezirksvorsitz kandidieren, klar. Erste Auffälligkeiten im Vergleich zum Amt des Abteilungsleiters: Manchmal gibt es tatsächlich einen Gegenkandidaten und man muss eine Art Wahlkampf führen. Das ist natürlich unangenehm, denn kein Tischtennis-Abteilungsleiter der Welt ist einen Wahlkampf gewöhnt, es sei denn, er engagiert sich auch für die Ortsgruppe irgendeiner Kleinstpartei und verteilt gerne früh morgens am Bahnhof Kugelschreiber an Berufspendler.

Um Bezirksvorsitzender zu werden, benötigt man jedoch eine andere Strategie. Hier gilt es, die Wahlmänner und -frauen für den Bezirkstag davon zu überzeugen, dass man der Richtige für den Job ist: also andere Tischtennisspieler. Dass man zwar nicht alles anders, aber eben vieles besser machen möchte als der aus Altersgründen nicht mehr antretende Amtsinhaber. So besucht der Wahlkämpfer wochenlang vermeintliche oder echte Spitzenspiele und Abstiegsduelle in den Ligen der Region. Angeblich aus Interesse am sportlichen Verlauf, doch ist natürlich jedem klar, dass es hier um eine noch härtere Währung als um TTR-Punkte geht: Es geht um Wählerstimmen. Und diese gewinnt man nun mal gerne erst nachts um vier beim Bestellen der wirklich allerletzten Runde in der Vereinskneipe des künftigen Bezirksoberligisten vom TSV - ole, ole!

Machthunger gestillt?

Nach zehrenden Wochen harten Wahlkampfes und einem handfesten Streit mit seiner Edith („Bist du jetzt immer das ganze Wochenende unterwegs? Was wird dann aus unseren gemeinsamen sonntäglichen Saunabesuchen?“) hat man es erstaunlicherweise geschafft und gewinnt – bei zwei Nein-Stimmen und drei Enthaltungen – souverän die Wahl. Nicht zuletzt, weil der einzige Gegenkandidat bei der Anfahrt einen Wildunfall hatte und daher leider nicht vor Ort sein kann. Nach der Wahl darf sich der frischgebackene Bezirksvorsitzende nun endlich regelmäßig mit seinen Bezirksfachwarten austauschen, er darf sich auf dem nächsten Bezirkstag und dem Bezirksjugendtag und nicht zuletzt dem Bezirksseniorentag endlose Vorträge anhören zu Themen wie Vereinspauschale, Verbandsakutstrafe, Vereinsunkostenbeiträge und dergleichen mehr, er muss den neuen Bezirksrahmenterminplan mit seinem Bezirksterminbeauftragten austüfteln und scheint ganz allgemein die Freude an Bandwurmwörtern mit in die Wiege gelegt bekommen zu haben. 

Und was wurde jetzt aus dem ach so einflussreichen Amt? Aus dem Fällen weitreichender Entscheidungen, aus dem Jonglieren mit Millionen, aus Auftritten in Funk und Fernsehen, wie das der noch recht rüstige Seniorenfachwart immer nennt? Nun ja, Entscheidungen werden im Bezirksvorstand mit einfacher Mehrheit beschlossen, da hat der Vorsitzende auch nur eine Stimme. Wirklich weitreichende Entscheidungen (Plastikball, Satzlänge, erlaubte Belagfarben) trifft ohnehin der Weltverband. Von vorhandenen Millionen war noch nie die Rede. Und statt in Funk und Fernsehen aufzutreten, wird der Bezirksvorsitzende lediglich nach Aufforderung von seinem eigenen Pressewart in einem belanglosen Interview zu allerlei Nichtigkeiten befragt, welches Wochen später und vor Rechtschreibfehlern strotzend irgendwo auf der ansonsten völlig verwaisten Bezirkshomepage veröffentlicht wird. 

Und so merkt der Bezirksvorsitzende recht schnell: Das Ende der Tischtennis-Funktionärskarriereleiter ist doch noch nicht erreicht!


Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell ist inzwischen auch unter die Buchautoren gegangen. Wer mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga schlendern will, findet hier das passende Werk.

(Philipp Hell)

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