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Blog: Heimwerker mit hoher Frustrationstoleranz

Als Gerätewart sollte man laut Phasendrescher Hell nicht auf Bewunderung hoffen (©Laven)

12.09.2022 - Wenn man sich eine typische Funktionärskarriere im Tischtennis-Amateursport anschaut, ist ein bestimmtes Amt zwar von überaus großer Bedeutung, die Anerkennung dafür hält sich allerdings in Grenzen. Die Rede ist vom Gerätewart, ohne den beim Training der eine oder andere Tisch womöglich schon zusammengekracht wäre. Phasendrescher Philipp Hell erzählt in seinem Blog, welche besonderen Fähigkeiten ein Gerätewart mitbringen muss und welche Herausforderungen sich ihm bieten.

Der Gerätewart einer Tischtennis-Abteilung hat die extrem wichtige Aufgabe, sich um das Funktionieren aller zum Spielen notwendigen Geräte zu kümmern: Tische, Netze, Banden, Zählgeräte und – bei besonders gut ausgestatteten Vereinen – sogar Schiedsrichtertische. Dies ist natürlich ein Kampf gegen Windmühlen. Schließlich kümmert sich der gemeine Durchschnittsspieler um diese Geräte überhaupt nicht – eher im Gegenteil.

Es ist zum Heulen

Dementsprechend sehen sie dann eben auch aus, diese Geräte: Die Platten haben Macken so groß wie Geldstücke und hängen in der Mitte deutlich sichtbar durch, die Netze lassen sich selbst mit ausgefuchsten Tricks nicht mehr am Tisch festschrauben oder gar spannen, die Banden samt ihrer unleserlichen Werbung fallen schon um, wenn man sie bloß schief ansieht, und die Zählgeräte scheinen nur noch gerade Zahlen anzeigen zu können, die man dann zu allem Unglück auch noch mit der Hand fixieren muss, damit sie nicht herunterfallen. Es ist zum Heulen.

Daher bietet der Gerätewart seinen Mitspielern regelmäßig Kurse an, wie die geliebten Geräte eigentlich zu behandeln wären. Doch aus irgendeinem Grund gibt es nie ein wirkliches Interesse an diesen Kursen. So hält der Gerätewart stattdessen bei jeder Jahresversammlung vor der gesamten Abteilung die immer gleiche Rede, die bei nahezu allen Anwesenden ins linke Ohr hinein und aus dem rechten Ohr gleich wieder heraus geht. Kurz zusammengefasst: Platten immer in die Originalverpackung legen, Netze nur alleine aufbauen, Banden bitte immer in den Schrank ganz oben links und bei den Zählgeräten maximal fünf auf einmal tragen. Oder war es irgendwie alles ganz anders?

Handwerkliches Geschick von Nutzen

Den Rest des Jahres über muss der Gerätewart folglich all sein handwerkliches Geschick aufwenden, um Netze zu flicken, Banden zu kleben, Zählgeräte zusammenzubasteln sowie halbwegs regelmäßig die Tische zu putzen und alle lockeren Schrauben wieder anzuziehen. Deshalb ist eine umfangreiche heimische Werkstatt eine der Grundvoraussetzungen für den Posten als Gerätewart, neben einer hohen Frustrationstoleranz sowie der Abwesenheit des Wunsches nach Bewunderung, Anerkennung sowie Beliebtheit. Zu allem Überfluss finden viele Mitspieler den Zähltisch Marke Eigenbau zwar recht hübsch, doch hätte man nicht auch ein offiziell wirkendes Modell einfach online bestellen können? Da würde dann auch nicht links vorne so eine Schraube schief herausgucken.

Manchmal überkommt es den Gerätewart dann tatsächlich einfach und er kauft in großen Mengen neue Geräte, wenn er die Schnauze komplett voll hat von dem windschiefen, miefigen und scheppernden Trödel im Geräteraum - und wenn der Abteilungsleiter und der Kassenwart die dafür benötigten Mittel im natürlich immer klammen Haushalt irgendwie auftreiben können. Aber gerade im Sommer ist manchmal Schlussverkauf und dann gibt es 36 Banden zum Preis von 34 oder so und da hat der Gerätewart natürlich umgehend zugeschlagen.

Auf ein Neues im nächsten Jahr

Ab und zu möchte auch die Schule, zu der die Turnhalle gehört und die regelmäßig die Geräte des Vereins herunterschlunzt, mit gütigem Herzen einen kleinen Beitrag leisten. Dann bestellt der engagierte Sportlehrer aus Schulmitteln zehn neue Netze und präsentiert seine Errungenschaft stolz dem Gerätewart. Dieser nimmt die orangefarbenen Freizeitnetze vom Typ "Ping Pong Beach Fun" resigniert entgegen und kontaktiert umgehend seinen Kumpel, den Bademeister, um die klapprigen und daher nutzlosen Dinger dem Freibad zu schenken.

Die meiste Zeit jedoch verbringt der Gerätewart damit, seinen Mitspielern zu erklären, wie man die neuen Netze richtig zusammenlegt. Dies scheint nämlich besonders kompliziert zu sein für so einen Kreisliga-Tischtennisspieler. „Also erst hier herum und dann zusammenlegen, der linke Halter zunächst oben in die Schachtel, denn dann passt auch der andere genau hier unten – halt, das war ja genau anders herum, also noch mal von vorne, erst dort und dann hier....“

So spart der Gerätewart dem Verein seit Jahren einen Haufen Kohle, denn die Tischtennis-Geräte sind nun mal der große Kostentreiber in der Abteilung. Nur gedankt wird es ihm äußerst selten: Zur Belohnung wird er im nächsten Jahr höchstens per einstimmigen Beschluss wiedergewählt. Das freut den Gerätewart dann aber klammheimlich doch jedes Mal wieder ein kleines bisschen, wollte er doch eigentlich schon lange bei allen Platten die Räder tauschen. Es gibt also auch nächstes Jahr noch genug zu tun.

Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell ist inzwischen auch unter die Buchautoren gegangen. Wer mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga schlendern will, findet hier das passende Werk.

(Philipp Hell)

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